B2B-Marktplätze im Mittelstand: Vor- und Nachteile

Einkaufsplattformen erobern den digitalen Kundenzugang

Das Thema B2B-Marktplätze wird im Mittelstand zunehmend thematisiert. Hier geht es um die Frage, ob B2B-Marktplätze den eigenen B2B-Onlineshop ersetzen oder welcher Mix aus digitalen Vertriebs- und Marketingkanälen der passende für das jeweilige B2B-Geschäftsmodell ist.

Eine Prognose zum Umsatzanteil der Marktplätze und Plattformen am B2B-E-Commerce aus 2018, also vor Corona, lautet, dass 2024 bereits 30 Prozent aller weltweiten B2B-E-Commerce-Umsätze über Marktplätze und Plattformen werden. 2018 betrug der Umsatzanteil der Schätzung zufolge 7,5 Prozent. Im Jahr 2019 verkauften laut Statista 33 Prozent der deutschen Unternehmen auf Amazon Business Produkte, gefolgt von Mercateo mit 17 Prozent.

Die Kundenbeziehung zwischen Kunde und Lieferant wird durch die Plattform aufgehoben. Dies trifft aktuell noch mehr auf C-Teile zu als auf strategische Bereiche der Beschaffung oder A- und B-Teile. Plattformen bieten Vorteile für Prozess- und Preistransparenz und Prozesskosten (Auswahl, Preis, Verfügbarkeit, Lieferzeit). Plattformen konsolidieren alle Lieferanten zunehmend in einem Single-Creditor-Modell und werden der zentrale Anlaufpunkt für die Informationsbeschaffung und Produktsuche.

Sie lösen die Orientierung über den vertrauten Händler, etablierte Marke und bekanntes Produkt durch Einkaufserlebnis und Produktbewertungen. Auf Plattformen wie Amazon dominieren anscheinend aktuell neue, nicht-etablierte Anbieter die Sichtbarkeit. Sie sind durch und auf Plattformen sichtbarer als etablierte Marken und namhafte Nischenanbieter. Durch den Kanalwechsel von offline zu online (Onlineshops) und von online zu Plattformen wird durch die veränderte Sichtbarkeit der Umsatz neuverteilt. Es profitieren davon insbesondere nicht-etablierte Anbieter. Diese neuen Anbieter müssen im Vergleich zu den etablierten im Übrigen zum Beispiel im D2C-Handel keine Rücksicht nehmen auf etablierte mehrstufige Vertriebswege und Handelspartner.

Profitiert der Mittelstand von Einkaufsplattformen?

B2B-Plattformansätze im gehobenen Mittelstand und in industriellen Großunternehmen sehen spannend aus, da sie in der ökonomischen Betrachtung Potenziale für hohe Margen und hohes Wachstum aufzeigen. Ob das auch für KMU und Mittelstand zutrifft, ist strittig.

Basics bleiben weiterhin wichtig: Produktdaten, Aufbau von digitalen Beschaffungs- und Vertriebskanälen. Aktuell sind in der B2B-Vertriebsdigitalisierung Händlerintegration, individuelle Vertriebstools und auch mal D2C-Konzepte pragmatisch gesehen relevanter.

Eine Vermutung ist, dass das Interesse an plattformökonomischen Ansätzen in der Praxis noch deutlich häufiger aus Berater-Perspektive als aus Business-Perspektive kommt. Sehr selten ist das Thema eigene Plattform in KMU und gehobenen Mittelstand wirklich klar auf der Agenda, sondern häufig geht es nebenläufig um Möglichkeiten der Anbindung (Datenintegration, Prozessoptimierung) von anderen Marktplätzen und Plattformen.

Die Herausforderungen für den Aufbau eines eigenen, erfolgreichen Plattform-/Marktplatz-Modells sind hoch:

  • eine große, bestehende Kundenbasis wird benötigt
  • hoher Traffic muss erzeugt werden können (Marketingreichweite)
  • eine gute Conversion-Rate muss erzielt werden können
  • nicht zuletzt muss eine hohe Technologiekompetenz da sein – unabhängig davon, ob Eigenentwicklung oder spezielle Software ist das kein Plug- & Play-Thema

Nationale und internationale Studien zeigen, dass immer mehr Unternehmen Marktplätze und Plattformen nutzen, um

  • vor dem Kauf die Preise, Produktdaten zu prüfen
  • Lieferkosten und Verfügbarkeiten zu vergleichen
  • bessere Rückgabebedingungen zu erhalten
  • bessere Usability und effizienten Versand vorfinden.

Vorteile für Kunden, also die Einkäufer, von B2B-Unternehmen, die Marktplätze und Plattformen für den Vertrieb nutzen, sind:

  • großes Sortiment
  • hohe Preistransparenz
  • niedrigere Transaktionskosten und Versandkosten
  • in der Regel Performance und Stabilität der Plattform

Vorteile für B2B-Unternehmen, die Marktplätze und Plattformen für den Vertrieb nutzen, sind:

  • jüngere Käufergruppen erreichen
  • schneller Einstieg in Onlinehandel
  • große Reichweite

Nachteile für B2B-Unternehmen, die Marktplätze und Plattformen für den Vertrieb nutzen, sind:

  • Akquisekosten und schlechtere Margen
  • höhere Marketingkosten, um das eigene Angebot neben dem Marktplatz zu bewerben
  • reiner Fokus auf den Preis
  • Abhängigkeit von der Reichweite
  • kein eigener, digitaler Kundenzugang
  • keine Möglichkeit der Differenzierung des eigenen Angebots über Qualität oder Service
  • kein direkter Zugang zu Kundendaten
  • keine Möglichkeit, erklärungsbedürftige Produkte angemessen darzustellen, zum Beispiel durch einen Produktkonfigurator oder Produktberater.

Was sollen die KMU und gehobenen Mittelständler jetzt tun?

Drohende Amazonisierung und Fachkräftemangel hin oder her, was sollen die KMU und gehobenen Mittelständler jetzt tun?

Die meisten Publikationen empfehlen, den Einstieg in die Marktplätze und Plattformen als weiteren Vertriebskanal parallel zum eigenen B2B-Onlineshop und zur Bewerbung des eigenen Angebots mit einem bestimmten (Teil-) Sortiment auszuprobieren. So sind auch die meisten Einzelmeinungen zu verstehen: Zuerst einen B2B-Onlineshop aufbauen und E-Commerce-Prozesse im Unternehmen befähigen (Kundenzugang) und dann ausprobieren, auf welchen B2B-Plattformen (Branche) und mit welchem Sortiment der Einstieg wirtschaftlich möglich ist (Gebühren, Marge) und wo die Kunden überhaupt sind (Bestandskunden fragen).

Eine Hypothese ist, B2B-Neukunden über Plattformen zu gewinnen und diese über den direkten Kundenzugang (E-Mail-Marketing, Anreizsysteme etc.) zu entwickeln. Eine weitere Hypothese - für wenige führende Unternehmen - ist, dass der Aufbau eines eigenen Nischen-Marktplatzes erfolgversprechend ist.

Die Amazonisierung wird sich bestimmt angesichts der Spezialisierung (Ersatzteile im Sondermaschinenbau usw.,) und der Serviceorientierung (Konfiguration) unterschiedlich schnell und stark entwickeln, also für generelle Kernbedarfe und einfache Produkte mehr als für komplexe Produkte aus den Randbedarfen.

Ob sich eine umsatzrelevante Abhängigkeit von einer Plattform entwickelt und wie viele Daten man noch über seine Kunden bekommt, sollte man im Auge behalten.

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