Checkliste: Was muss eine B2B-Beschaffungslösung leisten können?

Automatisierung von Beschaffungsprozessen bietet Effizienzgewinne, die abteilungsübergreifend im Unternehmen für mehr Wertschöpfung sorgen können. Hier sind Umsatzpotenziale zwar die oft prominenter kommunizierte Erwartungshaltung, aber häufig am Ende eine gesteigerte Prozesskosten-Effizienz der konkret zu beziffernde Business Case: Man geht von einem Potenzial von durchschnittlich 10% und bis 20% aus.

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Durchgesetzt hat sich das Thema Beschaffungsdigitalisierung über Beschaffungsportale auf Basis von B2B-Onlineshops im Vergleich mit der Vertriebsdigitalisierung über B2B-Onlineshops wohl noch nicht. Nur ein geringer Anteil (vermutlich unter 10 Prozent) der elektronischen B2B-Einkäufe werden über Online-Frontends abgewickelt (E-Procurement, B2B-E-Commerce oder B2B Digital Commerce). Fax und EDI sowie Procurement-Lösungen sind nach wie vor geläufige Arten von Auftragseingängen. Außerdem wird nur eine Relevanz für C-Teile angenommen, dessen Beschaffungsprozesskosten relativ hoch sind. Laut dem von Onventis mit dem Bundesverband für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und der Hochschule Niederrhein erhobenen „Trendbarometer 2018“ sollte die Investitionsbereitschaft in digitale Beschaffungslösungen inzwischen aber gestiegen sein.

Wenn hier von Beschaffungsportalen die Rede ist, sind E-Commerce- oder E-Procurement-Systeme mit Online-Frontends (grafischen Benutzeroberflächen (UI)) auf Basis eines B2B-Onlineshops gemeint. Perspektivisch macht vermutlich die Abgrenzung zwischen E-Commerce für B2B-Onlineshops und E-Procurement für derartige Beschaffungsportale keinen Sinn mehr, zumal einerseits die Funktionen und Convenience-Erwartungen des Kunden/Nutzers sich angleichen und durch fortschreitende Automatisierung die Bedeutung der Frontends als grafische Benutzeroberflächen deutlich abnehmen dürfte, da die automatisierte Kommunikation direkt zwischen Datenschnittstellen (APIs, M2M, Blockchain, Smart Contracts usw.) erfolgt. Das Szenario, dass nur noch ERP-Systeme direkt miteinander über APIs und eine Plattform dazwischen kommunizieren, ist aber noch nicht pragmatische Realität - genauso wenig wie wohl auch die praxisnahe Relevanz der übrigen Buzzwords in der vorgenannten Klammer.

Es gibt zahlreiche umfassende und anschauliche Fachbeiträge in einschlägigen und vertrauenswürdige Onlinequellen, über die man sich Grundlagen zu Thema Beschaffungsdigitalisierung anlesen kann. Wenn man nach diesen Themen sucht, möchte man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch kurzfristig anzuwendende, pragmatische Unterlagen sammeln, um für das konkrete Projektvorhaben die Projektteilnehmer auf den Punkt abholen zu können. Von diesen Unterlagen gibt es noch zu wenig belastbare und einigermaßen werbefreie Formate. Wir haben uns daher dazu entschlossen, nach bestem Wissen und Gewissen eine kompakte Checkliste bereitzustellen.

Achtung, Meinung:

Nicht verwirren lassen bei der Recherche, denn man findet themengleiche Inhalte zu verschiedenen Oberbegriffen: Digitalisierung von „Supply Chain“, „Lieferketten“, „Beschaffung“ (Gegenpart Vertrieb), „Einkauf“ (Gegenpart Verkauf), „Procurement“ und „Purchasing“ usw..

Wir haben das Wording B2B-Beschaffungsdigitalisierung gewählt, da es für uns den Gegenpart zur – von uns ebenfalls ausgewählten – B2B-Vertriebsdigitalisierung darstellt.

Passend dazu hier ein empfehlenswerter Artikel – zwar aus dem Jahre 2017, aber nach wie vor eine gelungene Einordnung. Autor ist Roland Fesenmayr, Vorstand OXID eSales AG. Zu erwähnen sei der guten Ordnung halber an dieser Stelle auch, dass Projekterfahrungen mit der OXID eShop Enterprise B2B Edition unweigerlich in diesen Beitrag einfließen.

Budget

Value Validation und Warum-Kommunikation

Annahmen über Budgets sollten Folgendes berücksichtigen

Achtung, Meinung:
Unsere Annahmen zu den durchschnittlichen Investitionsvolumen für B2B-Digitalisierungsprojekte haben wir in unserem gleichnamigen Whitepaper zusammengefasst (Zahlen aus 2019). Hier gehen wir von einem initialen durchschnittlichen Investitionsvolumen von 325.000 Euro aus bei jährlich wiederkehrenden Betriebskosten von 105.000 Euro. TCO-3 wären das also 640.000 Euro. Die Studie geht dabei nicht von RFQ-/RFP-/RFI-Erhebungen (also Preisen der Anbieterseite) aus, sondern betrachtet reelle Investitionsvolumen.

Auf jeden Fall sollte man in der TCO-Schätzung auch eine Vollkostenbetrachtung wagen, also die internen Ressourcenkosten genauso wie die externen Kosten betrachten.
Man sollte keine übertriebenen Erwartungshaltungen zu Profitabilität und Wachstum wecken. 2017(!) hat eine Studie einen Wert im Bereich einer etwa 3 % höheren Rendite EBITDA bei einer vergleichsweise hohen, digitalen Reife in Unternehmen gegenüber Unternehmen mit einer geringeren "digital maturity" ermittelt.

Der eigene, digitale Lieferantenzugang und die Lieferantenbindung sollten – genau wie in der Vertriebsdigitalisierung der digitale Zugang zum Endkunden und die Kundenbindung – strategische Ziele sein, weil die perspektivische Abhängigkeit von Plattformen unverhofft und schnell eine Gefährdung für das eigene Geschäftsmodell werden kann. Rein datengetriebene Auktionsmechanismen sind nicht immer kompatibel mit engen Geschäftspartnerschaften unter ordentlichen, mittelständischen Kaufleuten und die Transparenz, voll digitale Prozesse als auch beständige Liefersicherheit kann man nicht nur über Plattformen erreichen. Die aktuelle Resilienz-Debatte vor der Corona-Situation eröffnet da auch zu häufig zu einseitig nur die Perspektive des Sourcings in Fernost.

PROJEKTIERUNG - VORPROJEKT

Mindset Kundenzentrierung/CX

Achtung, Meinung:
Dazu gibt es genug, inhaltlich mehr oder weniger sinnvolle, aber Akzeptanz schaffende und kollaboratives Arbeiten fördernde Kreativtechniken. Am Ende muss trotzdem einer den Hut aufhaben (Ownership und Accountability).
Erfolgreich wird das Projekt am Ende nur sein, wenn sich Mehrwerte wie Vereinfachung, Prozesskostenvorteile, Serviceoptimierung und Umsatzsteigerungen erzielen lassen.

Digital Readiness checken und die Fachabteilungen abholen
Systemlandschaft und Anforderungen für Datenintegrationen ermittelnschnelldrehendes, onlinefähiges Sortiment ermitteln - mit oder ohne Konfiguration (Ersatzteile, Verbrauchsmaterialien, Services, Hauptprodukte und Variantenprodukte)Möglichkeiten für Cross- und Upselling ermitteln

User Journey-Prozesse mit BPMN dokumentieren

Achtung, Meinung:
Das Konzept muss nicht wissenschaftlich-akribisch auf einen Schlag von einem fleißigen Mitarbeiter erstellt werden, sondern im Team iterierend erarbeitet werden. Was nach Overhead klingt, kann Kosten durch die Vermeidung von Change Requests sparen. Wenn erstmal entwickelt wird, werden Änderungen teurer sein während in der Konzeption.
Es muss im Übrigen auf jeden Fall die Arbeitsteilung zwischen den beteiligten Bestands- und Neusystemen wie ERP, SRM/SCM und Beschaffungs-/Lieferantenportal in den Prozessdarstellungen geklärt werden.

PROJEKTIERUNG - HAUPTPROJEKT, BETRIEB UND CHANGE MANAGEMENT

Strategie und Zielsetzung für Technologien und Systeme

Plattform

Features (beispielhaft, nicht priorisiert)

Datenintegrationen

Die aufgeführten und teilweise stark vereinfachten Features stellen nur einen Bruchteil dessen dar, was möglich ist. Eine ausführlichere Übersicht gibt die Checkliste, die zum Download zur Verfügung steht. Sie deckt nahezu vollständig alle erforderlichen Grundfunktionen der Digitalisierung ab. In großen Teilen überschneiden sich die Anforderungen zur Digitalisierung von Vertriebs- und Beschaffungswegen, für die Beschaffungsdigitalisierung ist das Konzept E-Procurement/Purchase-to-Pay der Checkliste dann wesentlich von Bedeutung.

Achtung, Meinung:
Es gibt unzählige Systeme. Man sollte natürlich dringend die Implementierung von Integrationen bewerten und priorisieren (eher international: Basware, Coupa, GEP, Infor, Ivalua, JAGGAER, Oracle, SAP, Synertrade, Tradeshift, Workday, Zycus; eher EU/D-A-CH: SAP Ariba, SAP SRM, beneering, OpusCapita, wescale, coupa, Oracle, 2bits, onventis, HUBWOO, veenion). Im Vorprojekt wird man hier sicherlich zuerst die Systemlandschaften dokumentieren. Es empfiehlt sich, auch mal die technologischen Landschaften bei Marktbegleitern oder Unternehmen ähnlicher Größenklassen mit branchenähnlichen Anforderungen zu evaluieren.

Featuritis ist genauso problematisch wie fehlendes Digital-Know-how und entsprechend fehlende Akzeptanz für Digitalisierungsvorhaben in der Organisation, wenn es dann wirklich kostenintensiv wird. Man sollte nicht von Anfang an das ganze Budget in Featuresets verplanen. Ein Standard-Set an B2B-Funktionen reicht für die Systemauswahl meist aus. Im Rahmen einer kundenzentrierten Strategie werden viele projektspezifische Features und Prozesse sowie Raffinessen, wie dann vielleicht den Wettbewerbsvorteil und Mehrwert aus Kundesicht bringen, individuell entwickelt werden. Ein konsequenter MVP-Ansatz und eine engagierte Projektkommunikation sind erfolgsfördernd.

Geschwindigkeit ist heute wichtiger denn je. Bloß keine Zeit verlieren mit den Hype- und Trendthemen (Supply Chain Technology Trends 2020, Supply Chain Technology Trends 2019, usw.), nur das Wichtigste in den MVP aufnehmen und dann testen. Kurzer Realitätsabgleich: Klar ist auch, dass man manchmal den MVP nicht so handlich und sauber vertestbar zuschneiden kann, weil der Bestands-Onlineshop oder der Wettbewerb die Erwartungshaltungen der Kunden maßgebend beeinflusst und man gleich mit einem erweiterten Featureset (neu-) starten muss. ABER: keine Investitionen tätigen, die nicht nachweislich direkt auf den ROI einzahlen. Für eine iterative Budgetherangehensweise spricht auch der Umstand, dass sich das Geschäftsmodell zunehmend schneller und immer wieder ändern kann.

Gerade im Hauptprojekt sind häufige Probleme die ineffektive Umsetzung und oberflächliches Projektmanagement, also das schlechte Exekutieren und kontraproduktive Interessenpolitik durch falsche Incentivierung. Digital muss auch intern verkauft werden. Viele Entscheider sind verunsichert, weil die Implementierung digitaler Lösungen oft als eine krasse Veränderung empfunden wird. Widerstand wird es geben. Ein digitales Mindset im Unternehmen zu erschaffen ist die Kür.
Der Kunde bedankt sich nicht bei Ihnen, wenn Sie die Datenintegration sauber realisiert haben, der Kunde erkennt den wahren Mehrwert und auch den Nicht-Mehrwert. Das Ziel ist nicht digital, sondern das Ziel ist kunden-/nutzerzentriert: Den Mehrwert der digitalen Lösung bestimmt nicht das Unternehmen, sondern der Kunde/Nutzer.

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